In Rumänien ist der erste Tag geprägt von endlosen monotonen Getreidefeldern. Unser Ziel ist Satu Mare, wo wir bei Julia, unserem Airbnb Gastgeber angemeldet sind. Es wird spät nachts und wir kommen müde in die Straße gerollt, wo sie uns schon vor dem Haus erwartet. In der Wohnung sind lauter alte Dinge zu bewundern, von denen jedes einzelne ein Geschichte zu erzählen scheint.
Julia ist unglaublich herzlich, hat für uns lauter kleine Aufmerksamkeiten vorbereitet und wir fühlen uns rundherum wohl. Das ist auch der Grund, warum wir einen Tag länger bleiben und dieser vergeht mit Besorgungen, ihre Schwester kommt zu Besuch mit der kleinen Tochter und einer großen Portion Erdbeeren und wir haben viele Gesprächsthemen.
Am Morgen darauf reparieren wir in der Früh als erstes Darias Jacke, bei der sich der Saum aufgetrennt hat, was zu dritt mit Klebeband, Bügeleisen, feuchten Tüchern und einer guten Portion Kreativität echt Spaß macht. Wir frühstücken schön und ausgiebig mit Julia, es gibt Schinken und Würste, Gemüse, verschiedenen Käse und danach als echtes Highlight selbst gemachte Schokolade aus Kokosöl, Kakao und verschiedenen Nüssen. Ein Gedicht.
Natürlich kommen wir spät los, aber was soll´s. Die Begegnungen mit den Menschen sind genau das, was die Reise ausmacht: Zugang zum alltäglichen Leben in fernen Ländern zu bekommen, den man nie hätte, wenn man zu Hause bleibt oder einfach nur in den Urlaub fährt. Die Fahrt geht gut voran und führt uns aus Satu Mare heraus und schon bald zeigen sich die ersten grün bewaldeten Hügel der Karpatenausläufer am Horizont. Die Straßen werden ruhiger und ruhiger, aber fast jeder Autofahrer, der uns entgegenkommt, hupt, winkt oder macht das Fenster auf, um uns eine Begrüßung zuzurufen.
Am Straßenrand sitzen Frauen unter Sonnenschirmen oder im Schatten der Bäume und bieten Erdbeeren, Kartoffeln und Kirschen an. Wir werden lachend und freundlich angesprochen und wollen eigentlich gar nichts kaufen. Doch sie wollen uns einfach nur ein paar Erdbeeren schenken, weil wir ja so viel Gepäck haben und so weit fahren wollen. Auch Limonade gibt es und wir sind beschämt, gerührt und erfreut zugleich ob der Herzlichkeit, die uns an jeder Ecke entgegen kommt.
Die Schatten werden langsam länger und es liegt ein Hauch von Sommer über dem Land. Die Landschaft strahlt eine tiefe Ruhe aus mit den kleinen Dörfern, weiten Wiesen und Feldern vor den grünen bewaldeten Hügeln. Der Ort Certeze jedoch ist seltsam. Riesige, neue, prachtvolle Häuser säumen die Straßen, doch es scheint so, als stünde mehr als die Hälfte leer. Ich suche nach einer Erklärung und werde bei Brandeins fündig mit einem Artikel, den ich selbst schon mal gelesen hatte. Wie klein doch die Welt ist…
Da es bald dunkel wird, machen wir uns an die Suche nach einem geeigneten Platz zum Schlafen. An einer griechisch-katholischen Kirche ist ein alter Mann mit einer Plastikflasche, den wir nach den Uhrzeiten des Gottesdiensts am morgigen Sonntag fragen. Daria geht mit ihm zum Grab seiner Frau, die vor einigen Jahren gestorben ist. Auf dem Grabstein ist ein Foto von ihr und auch von ihm, nur ohne Sterbedatum. Daria versucht sich in Konversation und schließlich fragt er, ob wir nicht bei ihm übernachten wollten. Wir zögern kurz, aber es scheint ihm irgendwie auch ein Wunsch zu sein. Wir holpern im letzten Licht des Tages mit unseren Trikes eine staubige Seitenstraße entlang und hinter einem Tor kommen wir in den netten kleinen Innenhof eines älteren Hauses.
Wir verständigen uns mit Händen und Füßen, befragen den Übersetzer im Handy und irgendwie funktioniert das Gespräch. Sein Name ist Petru und er lebt seit dem Tod seiner Frau vor acht Jahren alleine, seine sechs Kinder leben im Ausland und er empfindet das einsame Dasein oftmals als Last. Er findet es schade, uns nichts anbieten zu können, doch nach und nach wird er fündig: im Kühlschrank gibt es weißen Schweinespeck, im Vorratskeller Zwiebeln, Salz und Brot und im anderen Keller riesige Flaschen selbst gebrannten Schnaps. Es schmeckt toll, es ist wunderbar und wir rollen anschließend beschwipst unsere Matten im Zimmer aus, während Petru im kleinen Anbau schläft.
Am nächsten Morgen kochen wir Rührei mit Gemüse aus 17 (!) Eiern, die uns Petru schenkt, frühstücken gemeinsam und freuen uns an den herumlaufenden Hühnern mit ihren Küken und am Erlebnis großartiger Gastfreundschaft.