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Ich bin neugierig und aufgeregt, als wir schließlich aufbrechen. Unsere Route führt aus dem Verkehrschaos Almatys heraus, eine Zeit lang entlang der kirgisischen Grenze mit Blick in die verschneiten Berge bis wir nach Nordwesten in die flache Einöde fahren, für die Kasachstan berühmt ist. Es ist trüb, verhangen und still, gegen Abend geht es durch dichten zähen Nebel und wir kommen in zwei Tagen Fahrt in die Stadt Türkistan, die als das mythische Zentrum aller Turkvölker gilt. Selbst Erdogan hat hier schon einen Kranz niedergelegt. So mitten im Nichts ist es durchaus überraschend wie bunt beleuchtet und lebendig diese Stadt wirkt. Unsere Unterkunft ist an der Straße bei einem alten, netten Ehepaar, das uns einen großartig kitschiges, komplett blaues Zimmer zum Übernachten anbietet. Nach und nach wird das Wetter besser und wir fahren schließlich unter eisblauem Himmel immer weiter in die Unendlichkeit der Steppe. Zwischen den Gräsern liegt ein Hauch von Schnee und jeder Schritt nach draußen lässt uns vor Kälte zittern. Monoton zieht die Landschaft vorbei, ockerfarbenes Gras, weißer Schnee und blauer Himmel. Stetiger, kalter Wind fegt darüber, doch ansonsten ist es still. Manchmal grasen in der Weite Pferde und Kamele, doch dann gleicht jeder Augenblick wieder dem nächsten und Erinnerungen an Turkmenistan werden wach. Ich stelle mir vor, wie es wäre, hier mit dem Fahrrad durchzufahren und allein die Vorstellung lässt mich schaudern. Die Weite, der Himmel, die Einsamkeit. Die Welt ist groß hier und der Mensch klein.

Unendliche Weiten


Wird man hier unsichtbar, wenn man betrunken ist?


Lonesome Lady

Unterwegs durch die Weiten Kasachstans


Erst geradeaus, dann geradeaus und dann …
geradeaus.

Kalte Einöde


Pferde und …

… Kamele in der Steppe

Wir kommen nach Bajkonur und wollen hier beim berühmten sowjetischen Weltraumbahnhof übernachten, um am nächsten Tag das Raumfahrtmuseum zu besuchen. Leider wird daraus nichts. Wir sind wirklich enttäuscht, als uns der russische Soldat an der Einfahrt zur Stadt erklärt, dass sie militärisches Sperrgebiet sei und wir ohne Sondergenehmigung leider nicht weiterfahren könnten. Also geht es noch einige Kilometer durch die Nacht, wir übernachten in einer etwas schäbigen Unterkunft und erreichen am nächsten Tag Aralsk, ein staubiges, verlorenes Nest am Ende der Welt. Es ist noch recht früh am Tag, doch wir beschließen hier zu bleiben, um uns das berüchtigte Verschwinden eines der größten Seen der Welt persönlich anzuschauen.

Hier geht´s zum Weltraumbahnhof


Keine Einfahrt für uns!

Nach Aralsk

Auf einer holprigen Straße, die mehr einem Pfad gleicht, fahren wir im schrägen Licht der Wintersonne in banger Neugier auf das zu, was früher einmal ein See war. Staub liegt in der Luft und es dauert eine gute Viertelstunde bis wir an der Uferlinie ankommen. Eine unermesslich große Senke breitet sich zu unseren Füßen aus. Unser Blick wandert ungläubig an der Kante entlang, an der wir frierend stehen, nach unten in das Wüstenbecken und bis in die blaue Weite, wo kein Ende in Sicht ist. In der Ferne ziehen Kamele durch die Einöde, dürre Hunde streunen zwischen den Müllhaufen und die ganze Szenerie hat etwas gespenstisches. Hier ist nicht ein Badesee, sondern ein Meer verschwunden. Der Aralsee hatte früher fast die Fläche Bayerns, es gab Häfen, Schifffahrt und Fischfang und eine Lebensgrundlage für viele Menschen. Wir stehen da und Trauer kommt in uns auf. Hier wird greifbar, fühlbar, erlebbar, welch fatalen Einfluss der Mensch auf die Natur haben kann, warum das Wort „Anthropozän“, richtig gewählt ist: wir befinden uns im Erdzeitalter des Menschen.

Am Rande von Aralsk


Fahrt zum Aralsee


Ankunft am früheren Ufer

Kamele im ausgetrockneten Meer


Nichts, so weit das Auge reicht

Einheimische mit Kamelen


Auch die Lady schaut ganz traurig

Meine Gedanken kehren zurück nach Usbekistan, zu den grünen Baumwollfeldern, den Aprikosenbäumen, dem fröhlichen Bad im Bewässerungskanal. Ich erahne, wie komplex die Zusammenhänge sind. Es geht um Entscheidungen der Sowjetzeit, um die Menschen in Usbekistan, deren Wohlstand von der Landwirtschaft abhängt, die Menschen in Kasachstan, denen ihr Meer abhanden gekommen ist und vor allem um die unerbittlichen Naturgesetze, die nicht mit sich verhandeln lassen. Am Abend gehen wir in einem kleinen Laden ein paar Lebensmittel einkaufen und sprechen mit einer Frau, die erzählt, dass sie in ihrer Jugend immer zu Fuß zum Baden gegangen sei. Heute gehen wir nachdenklich ins Bett.

Aralsk am Abend

In den nächsten Tagen nähern wir uns der russischen Grenze und langsam, langsam ändert sich die Landschaft. Erst tauchen vereinzelt Bäume auf, dann kleine Baumgruppen und je näher wir der Grenze kommen, desto mehr wird es gewohnter, europäischer. Ganz und gar nicht europäisch ist einerseits die Kälte, andererseits die Polizei. Wir werden auf der Fahrt durch Kasachstan ein paarmal angehalten, nach Autopapieren und Führerschein gefragt und ich rieche jedesmal schon die lauernde Gier, uns aus irgendwelchen Gründen ein paar Dollar „Strafe“ abzuknöpfen. Mein Standardtrick ist simpel, aber meist effektiv: ich verstehe einfach kein Russisch und auch das Wort „Dokumenty“ nicht auf Anhieb. In Kombination mit beharrlichem Schweigen oder auf Englisch wild drauf los erzählen funktioniert das perfekt. Einer der Polizisten aber ist hartnäckiger. Ich muss zu ihm ins Auto, er sagt mir, dass uns Dokumente fehlen und dass wir mit ihm zur Polizeistation fahren müssten. Nach einer Weile tu ich so, als würde ich es jetzt verstehen und sage „Nein.“. Es dauert zehn Minuten, er dreht das Autoradio auf, zwanzig Minuten, bis es ihm offensichtlich zu blöd wird und er uns fahren lässt. Erleichtert setzen wir unsere Reise fort, bis wir am späten Nachmittag die tief verschneite russische Grenze erreichen. Die Beamten sind professionell, kühl und streng, schauen genauer, was wir so dabei haben, lassen auch den Hund alles beschnuppern, doch dann kommen wir ohne größeren Zwischenfall durch.


Steppe im Winter


Langsam werden die Bäume mehr…

Polizeikontrolle


Auf dem Weg zur russischen Grenze


Wir sind in Russland!

Russisches Motel: lieber mal mit Schlafsack

Wir sind in Russland und der russische Winter macht seinem Namen alle Ehre! Die Welt ist in Weiß getaucht, die Straße schneebedeckt und ein eisiger Wind weht über das Land. Die Heizung des Lada funktioniert – Gott sei Dank – gut, wenn auch „binär“, d.h. sie ist entweder zu warm oder aus. Unsere Reise führt auf direktem Weg von Kasachstan in Richtung der Ukraine, doch auch dieser Weg ist weit. Wir überqueren die Wolga, machen einen Zwischenstop in Saratov und atmen in ein paar wenigen Tagen etwas von der Weite und Tiefe dieses riesigen Landes. Wir übernachten in einer perfekten kleinen Pension in Kursk, kurz vor der ukrainischen Grenze. Während unserer Reise haben wir immer wieder kleinere und größere technische Probleme mit unserer Silk Lady, einmal ist es der Anlasser, einmal defekte Sicherungen, einmal das Zündschloss. Ich versuche jedesmal entspannt zu bleiben, doch es gelingt mir von Mal zu Mal schlechter. Hier in Russland, der Heimat des Lada fragen wir deshalb abermals nach einem Mechaniker. Der ist nicht weit und gleich daneben gibt es so etwas wie eine Shopping Mall für Autoteile mit Händlern, die auf Lada spezialisiert sind. Perfekt! Alle sind extrem nett und hilfsbereit und wir decken uns mit dem aktuell Nötigen und mit Ersatzteilen für die Zukunft ein.

Unterwegs


Eisfischer


Väterchen Frost

Kirche in Saratov …


… von innen.


Ankunft in Kursk


Die Eiskönigin

Hier in Russland gibt es alle Ersatzteile!


Der Rauhreif glitzert

Dann geht es los durch frostiges Sonnenwetter mit glitzerndem Rauhreif in Richtung Ukraine, deren Grenze wir etwas nervös nach zwei, drei Stunden erreichen. Grenzübergänge sind immer mit etwas Restrisiko von Scherereien verbunden, mehr gilt dies für Zentralasien, mehr noch, wenn man mit einem alten Auto unterwegs ist. Doch angesichts der jahrelangen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine ist es jetzt nochmal etwas Besonderes. Bereits bei der Einfahrt nach Russland waren die Kontrollen streng, doch jetzt wird alles penibelst untersucht und im Anschluss muss ich mit zwei freundlichen Herren im Anzug in ein Nebengebäude, wo sie mir in gepflegtem Englisch scheinbar unverfängliche Fragen stellen. Wo wart ihr denn unterwegs? Wo habt ihr übernachtet? Wo fahrt ihr jetzt hin? Ich antworte ebenfalls möglichst unverfänglich und bin froh, als sie mich freundlich verabschieden. Es war eine Premiere trotz vieler Reisen: Eine Begegnung mit dem Geheimdienst hatte ich bislang noch nicht.

Es sind etwa zweihundert Meter bis zur ukrainischen Grenzkontrolle, wo das gleiche Spiel mit Gepäck auspacken, Handschuhfach öffnen, Kofferinhalt zeigen beginnt. Wir sind davon genervt, doch es kommt schlimmer. Einer der Soldaten schaut auf die Autopapiere, dann auf die Fahrgestellnummer, wieder auf die Autopapiere, wieder auf die Fahrgestellnummer. „Es gibt ein Problem. Hier fehlt eine Ziffer in Ihren Papieren!“ Ich kontrolliere es. Er hat recht. Eine Ziffer fehlt. „Das Auto muss leider im Niemandsland zwischen Russland und der Ukraine bleiben. Ihr könnt gerne zu Fuß weiter!“ Es hat minus 15 Grad, wir haben einen Berg an Gepäck dabei und wollen Weihnachten zu Hause sein. Ich atme ein paarmal tief durch und sage: „Nein. Das geht nicht. Wir brauchen eine andere Lösung.“ Daria versucht es mit einem Appell an die Menschlichkeit: „Wollen Sie uns trotz Weihnachten nicht fahren lassen?“ Er darauf: „Stellen Sie sich vor, ein ukrainischer Staatsbürger würde mit nicht korrekten Papieren an die polnische Grenze kommen. Würde ihn der Beamte weiterfahren lassen?“ Daria frech: „Wenn er ein guter Mensch ist: Ja!“ Doch wir kommen nicht weiter. Meine seit Tagen fein eingestellten Korruptionsantennen schlagen jedoch nicht Alarm. Die Soldaten sind streng, was die Regeln betrifft, aber auch sehr nett. Sie lassen uns in ihren Container, bieten Tee, Kekse und Butterbrot an und beginnen mit einem Protokoll. Schließlich sagen sie, dass die Polizei über das weitere Vorgehen entscheiden solle und telefonieren kurz. Das Ergebnis lässt uns hoffen: Die Strafe werde um die 10 Dollar kosten, wir müssten mit zur Polizeistation und die Kollegen würden bald eintreffen.

Das dauert dann doch noch zwei, drei Stunden, die aber echt lustig sind. Wir tauschen Instagram Profile aus, ratschen und lachen und dürfen leider, leider keine Fotos machen. Als es bereits dunkel ist, kommt die Polizei endlich an. Wir müssen noch eine Versicherung für die Ukraine kaufen und fahren dann in langsamem Tempo über eine mit Schlaglöchern übersäte Straße immer dem Polizeiwagen hinterher. Nach einer halben Stunde – es ist mittlerweile tiefschwarze Nacht – bleiben wir am Rande der Landstraße stehen. Einer der Polizisten steigt aus und sagt mir, ich solle in´s Polizeiauto kommen. Jetzt schrillen meine Alarmglocken laut. Ich kann wieder mal sofort kein Wort Russisch, wir versuchen uns mit Google zu helfen, doch leider ist das Netz zu schwach. Sie schlagen vor, auf einen Hügel zu fahren, wo die Verbindung besser sei, Daria solle hier im Auto warten. Ich kann´s kaum glauben: Ich soll alleine, ohne Zeugen mit ihnen wegfahren und Daria soll hier im Ungewissen bleiben, im Stockfinstern alleine an einer Landstraße nahe der russischen Grenze? Daria ist – komischerweise – nicht begeistert von der Idee und ich sage deutlich auf englisch, dass wir hinterher fahren. So geht es ein, zwei Kilometer weiter, bis sie abermals anhalten und ich ins wieder Auto soll. Jetzt ist das Netz besser, der Polizist hält mir sein Handy vor die Nase und Google übersetzt: „Ukrainian law says we have to check the car. We need to contact the authorities in Kyryzstan and it may take a week.“ Ich ahne was jetzt kommt: „You can speed up the process for 100 dollars.“ Mein Herz klopft, doch mein Wille ist stärker und ich bleibe äußerlich ruhig. Ich tippe in das Handy: „I understand. We can do this tomorrow at the police station. I will call the German embassy in Kiev for help, because my Russian is not good enough to know, why I should pay 100 dollars.“ Um meiner Aussage Nachdruck zu verleihen, steige ich aus und gehe zurück zu Daria, um ihr zu berichten. Nach ein paar Minuten kommt der Polizist und holt mich wieder. Sie überreichen mir ein weiteres Protokoll mit einem Strafzettel über 255 Hriwna, umgerechnet 8 Euro, zu zahlen bei der Ausreise. Sie lassen uns gehen, verbunden mit der Warnung, mich bis Deutschland zu verfolgen, falls ich ihnen Ärger machen sollte. Ich verabschiede mich höflich und gehe zurück in´s Auto. Die roten Rücklichter des Polizeiwagens verschwinden in der Schwärze der Nacht und wir bleiben zurück. Ich bin zittrig, meine Nerven liegen blank, aber ich bin stolz! Geschafft! Es hat insgesamt 6 Stunden gedauert, wir müssen mitten in der Nacht eine Unterkunft suchen, aber egal: wir sind keinen Millimeter zurückgewichen vor der Korruption.

Bitte folgen Sie uns!


An der Polizei dranbleiben…

… bis sie irgendwann stehenbleiben.


Auf dem Weg nach Kiev

Wir durchqueren die Ukraine, statten dem prachtvollen Kiev und dem geschichtsträchtigen Lemberg (ukrainisch Lviv, polnisch Lwów) einen Besuch ab. Einerseits sind wir etwas traurig, nicht mehr Zeit mitzubringen, andererseits wollen wir wirklich gerne Weihnachten zu Hause sein. Eine Hürde gilt es indes noch zu nehmen: mit einem kirgisischen Auto in die Europäische Union reinzukommen. Wir durchqueren bei Schneesturm die ukrainischen Karpaten und es wird späte Nacht, als wir uns in strömendem Regen der rumänischen Grenze nähern. Wieder etwas nervös erwarte ich die nächsten bürokratischen Hürden, doch wie fast immer auf der Reise kommt es anders als gedacht. Auf ukrainischer Seite fragt uns niemand nach der Strafe, die wir noch zu zahlen hätten und die rumänischen Grenzer sind freundlich und tiefenentspannt. Um wenigstens den Anschein einer Kontrolle zu wahren, muss ich den Kofferraum aufmachen und sie fragen nach Alkohol und Zigaretten. Ich verneine, schlage den Kofferraum wieder zu und schon ist die Prozedur durch. Mir fällt ein, dass wir noch keine Versicherung für die EU haben und frage nach. „Hier gibt es sowas nicht, nur in Satu Mare, aber erst morgen. Auf Wiedersehen und gute Reise!“ Das hab ich nun nicht erwartet. Keine Frage nach TÜV, kein Stress wegen der Papiere und kein Problem, erst mal ohne Versicherung in die nächste Stadt zu fahren.

Lawra Kloster in Kiev

Christkindlmarkt in Lemberg


In einem k&k Restaurant

Wir sind zurück in der EU!

Wir fahren los und eine halbe Stunde später stehen wir vor Julias Haus, bei der wir nach acht Monaten wieder übernachten wollen. Es ist ein fröhliches Wiedersehen, auch wenn wir erst um drei Uhr morgens ankommen. Sie öffnet uns diesmal nicht für die Trikes, sondern für die Silk Lady das Tor und wir freuen uns richtig, wieder ein vertrautes Dach über dem Kopf zu haben. Wie wild und exotisch war Rumänien, als wir vor fast acht Monaten über die ungarische Grenze hierher kamen! Jetzt fühlt es sich an, als seien wir bereits zu Hause angekommen. Es ist der 22.12. und wir haben geplant, in zwei Tagen nach Hause zu fahren, gerade rechtzeitig zu Heilig Abend. Doch wieder einmal hält sich die Wirklichkeit nicht an den Plan. Eine kurzzeitige Grenzversicherung für ein einzelnes Land gibt es hier nicht. Wir brauchen eine Versicherung, die für die gesamte EU gilt. Es braucht eine ganze Weile, bis wir mit tatkräftiger Hilfe von Julia, ihrer Familie und Freunden eine Agentur ausfindig machen, die uns helfen kann. Aber: erst am 24.12. haben die geöffnet. So verbringen wir Weihnachten in Satu Mare mit Julias Familie. Ihr Bruder und ihre Schwester kommen mit Kindern und Partnern zu Besuch, wir besuchen die katholische Messe und abends gibt es festlich zu essen.

Die Silk Lady bei Julia im Hof


Wiedersehen

Xaver trifft seine Freundin wieder!


EU-Versicherung für ein kirgisisches Auto???


Ich will mitbacken!


Die Familie ist beisammen!

Weihnachtsgottesdienst in Satu Mare


Abschied

Innerlich wie äußerlich gestärkt fahren wir am ersten Weihnachtsfeiertag los gen Heimat. Der direkte Weg führt über Ungarn durch Österreich nach Deutschland. Doch wir entscheiden uns für einen Umweg, nachdem ich eine – viele werden sagen typische – Geschichte gelesen habe. Es scheint sich so zugetragen zu haben: Deutsche sind mit einem deutschen Auto in Österreich unterwegs und werden von Wegelagerern ausgeraubt der Polizei kontrolliert. Der Polizist blickt auf die Autopapiere, dann auf das Kennzeichen, wieder auf die Autopapiere, wieder auf das Kennzeichen. „S´gibt än Problem. Ihre Papiere san nöd korrekt!“ Der Mann ist überrascht und kontrolliert seine Papiere: „Ich kann keinen Fehler finden!“ Der Polizist: „Zwischn dem Oat und de Buchstobn is hier än Bindestrich und aufm Kennzeichn is kaana.“ Folge: 500 (!) Euro Strafe oder alternativ wird das Auto konfisziert. Ich übertrage dies auf unsere Situation: Wir fahren mit einem Lada von 1984. Wir haben kirgisische Nummernschilder. Wir haben zwei Trikes auf dem Dach. Kurz: wir werden auffallen und uns fehlt eine Ziffer in den Papieren. Da erscheint mir die Option, durch Österreich nach Hause zu fahren als nicht mehr optimal und wir nehmen lieber 150 Kilometer Umweg auf uns. So geht es von Budapest über die Slowakei bis nach Tschechien, wo wir noch einmal übernachten müssen und eine Herberge suchen. Anders als Maria und Josef zu biblischen Zeiten haben wir Internet und buchen eine Unterkunft in einem kleinen Dorf. Als wir spät abends dort ankommen sind die Fenster jedoch dunkel, die Straße menschenleer und auf das Klingeln reagiert niemand. Bei einem Haus brennt Licht und ich klopfe an die Scheibe. Ein Mann öffnet und sagt uns, dass die Pension nachts nicht offen habe, er aber für uns nach einer Alternative im Internet suchen könne. Es gibt ein Hotel für unschöne 80 Euro die Nacht und wir sagen, dass uns auch eine Wiese für das Zelt reichen würde in der Hoffnung, dass wir bei ihm übernachten können. Doch wir sind jetzt in Europa angelangt und er kommt nicht mal auf die Idee, uns zumindest seinen Garten anzubieten. Wir fahren weiter und finden einen guten Platz, wo wir unser Zelt neben der Silk Lady aufbauen. Wirklich kalt ist es nicht und die letzte Nacht der wilden Reise ist im Zelt dann auch passend.

Letzte Nacht im Zelt

Der letzte Tag bricht an. Wir packen zusammen und sind plötzlich aufgeregt wie lange nicht mehr. Wie wird es sein, zurückzukommen, die Heimat neu zu sehen, die Freunde, die Familie wieder zu treffen? Die Fahrt führt uns wunderschön durch die sanften Hügel des Böhmerwaldes, durch verschlafene Dörfer und im tiefroten Sonnenuntergang zur letzten Grenze der Reise. Drei, zwei, eins – wieder in Deutschland! Und mit dem langen Abstand fällt uns eines auf: dieses Deutschland ist perfekt. Perfekte Straßen, perfekte Beschilderung, perfekte Fahrbahnmarkierung.

Heimfahrt im Sonnenuntergang


Die letzte Grenze der Reise!


Nicht mehr weit, aber es dauert doch…

Gleich da!

Wir fahren im letzten Abendlicht durch den Bayerischen Wald nach Passau, reihen uns mit gemütlichen 80 Stundenkilometern auf der rechten Spur in den dichten Verkehr auf der Autobahn und kommen an Moosburg, an Landshut, am Flughafen München vorbei. In der Vorfreude werden die letzten Momente lang. Wir durchfahren die letzten Tunnel, nehmen die Ausfahrt Germering und halten noch kurz für eine Toilettenpause an der Tankstelle am Ortseingang. Mittlerweile ist es neblig geworden, die Straßenlaternen werfen breite, trüblich gelbe Kegel auf die dunkle Straße, wir fahren die letzten Meter unserer Reise, zurück zu dem Ort, an dem wir gestartet sind. Noch eine Kurve, wir hupen laut und übermütig und der Jubel von Familie und Freunden umfängt uns, als wir aus der Silk Lady aussteigen. Sie haben Bier, Sekt und Schnitzelsemmeln vorbereitet, wir weinen und lachen und freuen uns unbändig.

Wir sind wieder daheim!

Willkommen zurück!!!


Endlich angekommen.

Ich hab genug getrunken!