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Pater Piotr empfängt uns mit den Worten: „Ich habe mich schon gewundert, was da für kosmische Gefährte unterwegs sind und dachte schon, dass es wieder eine neue Idee der Kinder ist.“ Er führt uns anschließend in das neu gebaute Pfarrhaus, wo wir ein schönes Zimmer und Gelegenheit zum Kochen bekommen. Wir machen kurz ein Fertiggericht warm, duschen und fallen müde in´s Bett.

In der Früh mit Pater Piotr

Am nächsten Morgen sind wir um acht zum Frühstück eingeladen, was mit guten Gesprächen eine ganze Weile dauert. Der Assistent des Pfarrers ist ein zurückhaltender Intellektueller aus Moldawien, der gut englisch spricht und sich mit vielen Dingen im Detail auskennt wie z.B. dass Heidelberg in Baden-Württemberg liegt. Seine Einschätzung zu Moldawien: „Die Oberfläche mag westlich aussehen, die Mentalität der Menschen ist aber eher brasilianisch. Wenn jemand ein Business betreibt, ist es selten das was draufsteht, sondern etwas anderes, oft mit zwielichtigem Hintergrund.“ Nach einer Weile gesellt sich auch die Haushälterin zu uns. Sie ist erst etwas schüchtern aber mit der Zeit taut sie auf und erzählt aus ihrer Familiengeschichte. Ihre Großmutter kam aus einer wohlhabenden polnischstämmigen Familie, d.h. sie waren als Klassenfeinde gebrandmarkt. Die Großmutter konnte einen Teil der Familie nach Polen vor den Kommunisten in Sicherheit bringen und wurde anschließend verhaftet und später erschossen. Der Großvater starb bei dieser Nachricht an einem Herzinfarkt. Die Mutter der Haushälterin hingegen hatte es nicht mehr nach Polen geschafft, sondern musste sich als jugendliche Waise alleine in der Sowjetunion durchschlagen. Wirklich tragisch und es ist etwas anderes, wenn man Geschichte im Geschichtsunterricht hört oder wie hier als persönliche Erzählung.

Vor uns liegen nun 107 lange Kilometer aus Tiraspol hinaus und durch weite Felder in Richtung Odessa. Die Fahrt geht gut voran, doch da wir erst um elf Uhr losgekommen sind, wird es Nacht bis wir in Odessa ankommen.

Wir verlassen Tiraspol

Transnistrien ist komplett nach Russland orientiert, oder?

Wir sind in der Ukraine!

Am Weg nach Odessa

Weiter Himmel über der Ukraine

Fast meint man, man könne das Meer schon riechen

Im Internet werden uns bei einem Hotel freie Zimmer angezeigt, jedoch funktioniert die Buchung nicht. Wir denken uns nicht viel und lassen uns vom Handy durch die nächtlichen Straßen leiten, bis wir schon recht müde am genannten Hotel ankommen. Eine gelangweilte junge Schnepfe sagt, dass nichts mehr frei sei und sie auch keine Ahnung habe, wo wir eine Übernachtung finden könnten. Wir gehen in eine nahegelegene Kneipe, essen erstmal eine Kleinigkeit, bestellen ein Bier und suchen mit Hilfe der äußerst netten Bedienung nach einem Hostel, das a) ein Zimmer frei hat, b) bezahlbar ist und c) jetzt noch offen hat, denn mittlerweile ist es ein Uhr nachts. Die Kollegin sucht und telefoniert hin und her, wir werden schließlich fündig und radeln voller Freude ein paar hundert Meter zur angegebenen Adresse.

Dort gibt es kein Schild, das auf ein Hostel hinweisen würde, doch ein Mann weist uns den Weg in einen komplett dunklen Hinterhof. Hinter uns fällt das Gitter ins Schloss und erst ist es nur ein wenig komisch, doch langsam wird es unheimlich. Wir leuchten mit der Handylampe den Weg in einen Hauseingang und in der Tat gibt es ein Schild mit der Aufschrift Hostel und einem Pfeil, der die Treppe hinaufweist. Das Treppenhaus ist voller Spinnweben, von den Wänden blättert die Farbe und es sieht nicht danach aus, als wäre das Haus überhaupt bewohnt, geschweige denn eine Herberge, die uns zu später Stunde ein ruhiges, angenehmes Zimmer bietet. Wir gehen mit leiser Angst im Nacken noch kurz nach oben, drehen dann aber um und sind froh, als wir wieder draußen auf der Straße sind; zwar ohne Unterkunft, aber auch ohne weiteren Zwischenfall. Wir irren noch einige Zeit durch die Stadt, suchen bei jedem offenen WLAN im Internet, aber es soll einfach nicht sein. Schließlich, als der Morgen schon zu dämmern beginnt, fahren wir an´s Meer, stellen uns oberhalb des Strandes in´s Grün. Erschöpft schlafen wir für zwei, drei Stunden auf den Trikes, im kalten Wind, aber immerhin mit grandioser Aussicht.

Total fertig, geiler Ausblick

Langsam, langsam kommt die Sonne zu uns durch und ihre wärmenden Strahlen vertreiben Stück für Stück die Geister der Nacht. In einem kleinen Café gibt´s jetzt erst mal Frühstück: reich belegte Sandwiches, frisch gepressten Saft und einen riesigen Kaffee. Auch mit der Suche nach einer Unterkunft klappt es schließlich, wenigstens für die zweite Nacht, die wir in Odessa verbringen wollen. Wir stellen unsere Trikes in den Innenhof, bringen unsere Sachen in´s Zimmer und atmen erstmal durch. Nach einer Weile klopft es an der Tür. Die Besitzerin hält unsere Trikes trotz der Codegesicherten Stahltür, die den Innenhof sichert, für gefährdet. Die Nachbarn warnen uns ebenfalls vor der angeblich allgegenwärtigen russischen Mafia und bieten uns an, die Trikes in einem abschließbaren Vorraum zu ihrem Haus zu platzieren. Nachdem wir unsere Gefährte dort doppelt abgeschlossen haben, sind unsere Gastgeber einigermaßen beruhigt. Ich persönlich halte ja Vierfachsicherung (Tor, Tür und 2x Schloss) für übertrieben, aber wer weiß?

Nicht 1x, nicht 2x, nicht 3x sondern 4x gesichert!

Als erstes besuchen dann den wirklich sehenswerten Markt von Odessa, probieren dies und das an Leckereien, trinken unglaublich leckeren frisch gepressten Granatapfelsaft und kaufen noch ein paar Kleinigkeiten für die Weiterreise. Das ukrainische Geld, das eigentlich für die Überfahrt gedacht war ist damit leider weg. Aber was soll´s: genieße den Moment! Der restliche Tag vergeht mit Sehenswürdigkeiten anschauen und einem guten Essen, das wir uns zum erreichten Etappenziel gönnen. Als krönenden Abschluss gibt´s einen Cocktail namens „Penicillin“, bestehend aus zwei Whisky-Sorten (eine Ardbeg!), Zitronensaft und Honig. Kaum zu glauben, aber echt gut!

Shopping am Markt

Schön essen als Abschluss einer großen Etappe!

Tags darauf fahren wir knappe 20 Kilometer nach Tschornomorsk, wo unsere Fähre Richtung Georgien ablegen wird. Die Meeresbrise spielt uns um die Nase, eine staubige Straße führt zur Anlagestelle und die Lastwagen haben Kennzeichen aus der Ukraine, der Türkei, Armenien und Kasachstan. Hier gibt es nun keine wirkliche Verbindung mehr nach Westeuropa, so scheint es uns. Passend dazu bietet das kleine Restaurant in der Nähe leckeres armenisches Essen und die Gesamtheit der Eindrücke lässt die Vorfreude auf die Überfahrt und die zukünftigen Länder wachsen.

Ab 18:00 Uhr können wir laut der eMail, die wir von Ukraine-Ferries bekommen haben, auf die Fähre. So schnell und so einfach geht das aber auch wieder nicht. Als wir dort ankommen, stehen wir mit einigen Berliner Motorradfahrern, einer Familie aus Armenien und einigen weiteren Passagieren vor verschlossenen Pforten. Auf Anfrage heißt es kurz angebunden „Wait!“ Irgendwann kommt dann ein sonnenbebrillter, tätowierter „Agent“, der noch irgendwelche Zettel und Stempel zu unseren Tickets organisiert und dann geht es durch die stählernen Eingangstore in Richtung Hafenmole. Vor dem Gang auf die Fähre gibt´s dann nochmal eine Prise altsowjetische Organisation. Der martialisch auftretende Grenzer befiehlt uns durch die Gegend („Come!“, „Go there!“, „Wait!“) kontrolliert unser Gepäck, stellt Fragen, lässt den Hund alles beschnuppern und schickt uns in ein Gebäude, wo wir schließlich den ukrainischen Ausreisestempel erhalten. Anschließend bekommen wir einen offensichtlich von Hand ausgeschnittenen Zettel mit Stempel drauf, den wir dann gleich darauf bei einem weiteren Soldaten wieder abgeben. Der tiefere Sinn bleibt im Dunkeln…

Auf die „Vilnius“

Dann endlich geht es die breite Rampe hinauf zur „Vilnius“. Wir parken die Trikes hinter Eisenbahnwaggons und sie werden von den Mitarbeitern der Fähre mit Gurten am Boden festgezurrt. Man weiß ja nie wie wild die Überfahrt wird. Wir beziehen unsere kleine Kajüte mit Fenster und im Dunkel des Abends kommt Freude auf: der Duft der See, die engen Gänge, der Geruch von Diesel und Linoleum, die steilen Treppen und lackierten Blechwände – all dies strahlt eines aus: wir stechen in See! Für die Abfahrt gehen wir auf´s Oberdeck und es wird Mitternacht, bis ein leichtes Zittern den Start der großen Motoren ankündigt und langsam setzen wir uns in Bewegung. Der Hafen gleitet an uns vorbei, die Lichter von Tschornomorsk spiegeln sich im Wasser und wir fahren auf dem Schwarzen Meer der Nacht und neuen Ländern entgegen.

Bereit zum Ablegen: Wir verlassen Europa!

Mond und Meer

Die Fahrt ist beschaulich und ruhig. Die Zeit vergeht mit Ratschen, auf´s Meer schauen und drei üppigen Mahlzeiten, die mit preußischer Genauigkeit dreimal täglich in einem Zeitfenster von genau einer halben Stunde ausgereicht werden. Öfter gibt es Delfine zu sehen und wir fahren in Sichtweite an der Krim vorbei. Eine interessante Unterbrechung findet am zweiten Tag statt: die Übung „Mann über Bord“. Das gesamte Schiff bremst, dreht sich um 180 Grad und es werden der Reihe nach 3 Beiboote zu Wasser gelassen, wo sie vorschriftsgemäße Kreise ziehen.

Blick auf die Krim

Unsere Begleiter auf hoher See

Nett Ratschen!

Immer weiter Richtung Osten

Gemütlich an Deck

Mann über Bord! Nein, nur eine Übung…

Am Morgen des dritten Tages kommt bei nassem Wetter die Hafenstadt Batumi in Sicht. Bis wir schließlich anlegen hat sich das Wetter beruhigt, wir warten – wieder ganz sowjetisch – stundenlang auf die Passkontrolle und rollen schließlich mit einem georgischen Stempel und einem freundlichen „Welcome to Georgia“ aus dem Bauch der Fähre hinaus auf georgischen Boden.

Auch Xaver freut sich schon!

Das Wetter klart gleich auf…

Ankunft in Batumi

Skyline von Batumi